Antonie Herf: Briefe einer jungen Frau aus Indien (1885)

Auf eine weise ist das auch ein „medienbeitrag“, wenn auch ein 138 jahre alter:

Dank Google Books sind uralte bücher der allgemeinheit zugänglich. So habe ich dieses werk aus tiefster kolonialzeit entdeckt:

Antonie Herf: Briefe einer jungen Frau aus Indien (1885)

Zitat von seite 29/30:

Unsere bei der Tafel anwesenden malayischen Diener tragen die Livree der holländischen Regierung und sind nicht wenig stolz auf diese Auszeichnung, wie die Eingeborenen sich überhaupt mit Vorliebe zum Bedienen der Beamten drängen. Sie sehen sehr schmuck aus in ihren weißen Beinkleidern und schwarzen mit Gold gestickten Samtjacken, auf deren Knöpfen sich das holländische Wappen befindet. Um die Hüften haben sie eine rote oder Schärpe sehr geschickt geschlungen, deren Enden in goldenen Fransen oder Troddeln auslaufen. Sämtliche Diener gehen barfuß, ein Umstand, der es ihnen ermöglicht, ihren Dienst völlig lautlos auszuüben. Ein jeder Diener ist von der ängstlichsten Aufmerksamkeit für seinen Herrn erfüllt und wendet keinen Blick von dessen Person. Vermöge der ihnen angeborenen Geschmeidigkeit veranlassen sie auch beim Tellerwechsel nicht das geringste Geräusch, völlig unvermerkt schiebt sich jedesmal die braune, gelbe oder schwarze Hand hindurch, um Teller und Bestecke wie durch Zauberei verschwinden zu lassen.

Also, damals gab es wahre heerscharen einheimischer diener für die europäischen kolonisten, jederzeit willfährig und lautlos auf nackten sohlen mit der „ängstlichsten Aufmerksamkeit“ ihren dienst verrichtend. Da bekomme ich sehr gemischte gefühle. Einerseits ist barfuß wirklich praktisch für dienstleistungsberufe, bei denen jemand viel auf den beinen ist, und wer wird nicht gern mit solcher unaufdringlicher perfektion bedient? In einem restaurant wäre mir das mindestens ein lächeln, ein trinkgeld und ein paar positive bemerkungen wert. Andererseits war die einteilung eindeutig, die kolonialherren trugen schuhe und hatten das sagen, die eingeborenen liefen barfuß und konnten als höchstes der gefühle vielleicht eine dienstbotenstelle bei irgendeiner hohen herrschaft erreichen.

Nein, es wäre mir auf die dauer wohl doch nicht angenehm, mich ständig von untergeordneten personen bedienen zu lassen. Dazu ist mein sinn für gleichheit viel zu ausgeprägt, auch wenn ich (weltweit gesehen) aufgrund der herkunft bereits privilegiert sein mag. Barfußgehen wird hoffentlich nicht mehr mit unterordnung und abhängiger beschäftigung im dienst einer höhergestellten person verbunden, es sollte für alle sein, unabhängig von herkunft, alter und sozialer stellung.

Ich war selbst schon in Indien und bestürzt über die gewaltigen sozialen unterschiede, die es dort nach wie vor gibt. Das war noch etwas vor der zeit, als ich selbstverständlich auch an unbekannten exotischen orten barfuß gegangen bin (ich war nur zeitweise barfuß und dort, wo ich mich „sicher“ fühlte). Ich hoffe es wird sich noch eine reise ergeben, bei der ich in dieser hinsicht sicherlich deutlich konsequenter bin, auch wenn so manche großstädte doch etwas überwindung in sachen slalom um diversen müll erfordern.

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