Barfuß auf dem Jakobsweg

Hallo zusammen,

im Mai/Juni vergangenen Jahres hat es endlich geklappt: Ich war zum zweiten Mal auf dem Camino del Norte unterwegs. So oft es ging, bin ich barfuß gelaufen. Leider ist es auf dem Jakobsweg kaum möglich, durchgehend unten ohne zu pilgern - zumindest dann, wenn man ein akzeptables Tempo laufen will. Im Alltag barfuß sein - kein Problem. Einen ganzen Tag barfuß wandern - check. Aber mehrere Wochen mit einem Rucksack auf dem Rücken jeden Tag zwischen 15 und 30 Kilometer durch Spanien zu laufen - das machen die Fußsohlen nicht mit (zumindest meine nicht). Immer wieder ist man längere Strecken auf rauem Asphalt unterwegs, der die Füße extrem beansprucht.

Trotzdem kann ich die vielen Pilger nicht verstehen, die ihre Füße während des kompletten Camino jeden Tag in klobige Wanderschuhe zwängen - und abends ihre Blasen behandeln. Ich war - wie schon 2015 - mit minimalistischem Schuhwerk unterwegs. Bei meinem ersten Camino von Irun nach Ribadesella (rund 400 Kilometer) bin ich meist in Flip-Flops oder in Five Fingers gelaufen und habe bei jeder passenden Gelegenheit die Schuhe an den Gürtel gehängt. Bei der Neuauflage von Ribadesella nach Santiago habe ich einen Großteil des Weges in Rollups von Lizard zurückgelegt - das ist eine Minimalsandale mit 4mm dünner Sohle und einem Riemen, der auf dem Fußrücken fixiert werden kann.

Mit diesem „Schuhwerk“ war ich ein absoluter Exot auf dem Jakobsweg. Meine Füße haben mir zu einigen Anekdoten verholfen, die ich gerne mit euch teilen möchte.

In einer Bar am Weg bin ich einer kanadischen Pilgerin begegnet, die mit einem Blick auf meine Füße und die Minimalsandalen so perplex war, dass ihr Ausruf des Erstaunens durch den ganzen Raum hallte - und dafür sorgte, dass sich sämtliche Gäste zu uns umdrehten. Nach den üblichen Fragen zu meiner Schuhwahl meinte sie dann: „Can I take a photo of your feet“? Als ich einwilligte, zückte sie ihr Handy und fotografierte meine dreckigen Füße. Wir haben uns danach noch toll unterhalten - dabei erzählte sie mir, dass sie ihre Erlebnisse in einem Live-Blog festhält.

Wenige Tage später habe ich abends in der Herberge mal ein wenig in ihrem Blog gestöbert - und dann ein Aquarell (!) meiner Füße gefunden. Dazu gab es eine kurze Schilderung unserer Begegnung. Ich habe mich mega gefreut und mir vorgenommen, sie bei der nächsten Begegnung zu fragen, ob ich ein Foto des Gemäldes haben darf. Wieder einige Tage später war es soweit: Wir liefen uns vor der Kathedrale von Mondonedo wieder über den Weg. Als ich meine Bitte vorbrachte, wühlte sie in ihrem Gepäck, zückte den Aquarellblock, riss das Bild heraus und schenkte es mir. In den nächsten Wochen wird es - anständig gerahmt - einen würdigen Platz in meinem frisch renovierten Arbeitszimmer finden.

Eine andere Pilgerin, der ich auf dem Camino fast täglich begegnete, verewigte mich und meine Füße auch wiederholt in ihrem Blog - dort nannte sie mich den „Barfußpilger“.

Als ich gegen Ende meines Camino auf dem Weg zum Kap Finisterre war, um am Leuchtturm den Sonnenuntergang zu genießen, begegnete ich einem Pilger, den ich nie zuvor gesehen hatte. Er sah mich, stutzte, blieb stehen und fragte mich: „Are you Thomas?“ Ich nickte erstaunt und fragte ihn, woher er meinen Namen wüsste. Der Pilger senkte seinen Blick in Richtung meiner Füße, schaute mich dann verschmitzt an und meinte nur: „I heard from you“.

Wie ich schon in meiner Vorstellung geschrieben habe, will ich meine Erlebnisse auf dem Jakobsweg wieder schriftlich festhalten. Nach einem heftigen halben Jahr in der Firma hoffe ich, dieses Jahr etwas mehr Zeit zu haben, um meinem Blog neues Futter zu geben.

Liebe Grüße von
descalces

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Lieber Thomas

Oh ja, auf dem Jakobsweg wird man schnell erkannt, das ging mir damals auch so… :smile:. Ich war „la chica suiza“, und da ich allein unterwegs war und einen Rock trug, war ich leicht zu erkennen.
Als ich 1996 von Le Puy-en-Velay via Roncesvalles, Pamplona, Burgos, Leon nach Santiago gewandert bin, hätte ich mir nicht vorstellen können, die 1500 Kilometer barfuss zu gehen. Ich war zu sehr im Mainstream. Aber ich wusste, dass man Schuhe eintragen muss, und bin als eine der ganz wenigen mit eingelaufenen Schuhen gestartet. Als ich Blasen bekam, war ich selber schuld, weil ich zu wenig gerastet und meine Füsse habe trocknen lassen.
Ich traf in der Meseta auf einen jungen Mann, der aus Belgien barfuss nach Santiago pilgerte. Damals habe ich ihn belächelt, weil er nur ca. 20 Km am Tag ging. Heute weiss ich, das geht nicht anders, wenn man seine Füsse schonen muss, und die Böden dort sind teils echt fies, ich denke mit Grauen an manche Schotterpisten zurück, auf denen man zwei Schritte vorangeht und einen zurückrutscht.
Wäre ich heute auf dem Camino unterwegs, würde ich es machen wie Du. Da, wo es geht, barfuss, und da, wo es unangenehm ist, mit Minimalsandalen. Ich habe inzwischen viele Weitwanderungen bis zu 70% barfuss hinter mich gebracht und weiss genau, dass alles stimmen muss, wenn man eine lange Strecke barfuss gehen möchte, erst Recht mit Gepäck am Rücken. Lieber einmal zu oft als zu wenige eine Sandale anziehen. Je weiter man geht, desto eher kann man dann die Sandalen mal weglassen,

Buon Camino!
Dorothea

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