Barfuß im Sportunterricht

Hallo Leute, heute möchte ich eine kleine Episode aus meiner Schulzeit mit euch teilen. Ich war damals in der 5ten Klasse und 11 Jahre alt. Ich liebte es schon immer barfuß zu laufen, nur durfte ich das als Kind nicht. Meine Eltern waren strikt gegen das Barfußlaufen und es stand gar nicht erst zur Debatte, dass ich irgendwo draußen barfußunterwegs sein durfte. Nur selten ging ich heimlich barfuß, wenn sich mir eine Gelegenheit bot.
Aber an diesem Schultag bin ich trotzdem voll auf meine Kosten gekommen: Es war ein warmer Sommertag, leicht bewölkt abwechselnd mit Sonne und sehr angenehm draußen. Unser Sportlehrer ging mit unserer Klasse nach draußen zur Freisportanlage, um dort mit uns zu Laufen und Leichtathletik zu machen. Wie immer trödelte ich ein bisschen beim Umziehen und meine Klassenkameraden waren schon draußen. Als ich meine Sportschuhe anhatte, ging ich langsam aus der Umkleide. Doch bevor ich nach draußen gegen konnte, hörte ich vor der Tür zwei Stimmen. Die eine gehörte unserem Sportlehrer und die andere meinem Klassenkameraden Florian, ein etwas schusseliger Junge, der offenbar seine Sportschuhe vergessen hatte. Er sagte zu dem Lehrer: „Herr Schäfer meine Sportschuhe sind nicht da. Soll ich dann diesmal auf die Bank?“
„Nicht nötig,“ sagte der Lehrer „du machst dann einfach barfuß mit!“
Als ich diese Worte hörte erfasste mich Neid gegenüber meinem Mitschüler und ich spürte ein großes Verlangen auch so frei sein zu dürfen. Wieso darf der jetzt barfuß mitmachen und alle Anderen tragen Schuhe? Ganz klar, die Antwort darauf war wegen seiner fehlenden Schuhe.
So machte ich kehrt und ging wieder in die leere Umkleide zurück, zog meine Sportschuhe aus und vergrub sie tief in meinem Turnbeutel. Noch in Socken ging ich zurück zur Tür und trat hinaus. Wie erwartet stand dort noch der Sportlehrer.
„Wo sind denn deine Sportschuhe, John?“ entgegnete er mir.
„Ich hab wohl vergessen sie einzupacken“, sagte ich und der Sportlehrer runzelte die Stirn. „Nun ja, wenn du keine Schuhe dabei hast, dann machst du eben auch barfuß mit!“
Genau das wollte ich bezwecken und ich konnte mein Glück kaum fassen. Mein Kinderherz jubelte innerlich vor Freude über den geglückten Plan und über die Aussicht, die Doppelstunde Sport barfuß verbringen zu dürfen.
Ich ging also wieder in die Kabine, streifte meine klebrigen Socken ab und genoss die Empfindung von Luft an meinen Füßen. Dann ging ich los und tapste raus zu dem Anderen. Die anderen Jungs aus meiner Klasse machten große Augen, als ich barfuß angelaufen kam. Einer fragte mich nach dem Grund meiner Barfüßigkeit und ich erklärte dass ich eben meine Schuhe vergessen hatte und jetzt barfuß mittrainiere. Es war so ein wundervoll befreiendes Gefühl. Meine Wahrnehmung schien schlagartig erweitert, denn ich konnte den Boden unter meinen Füßen spüren, den gepflasterten Weg, den weicheren Boden zum Streckenlaufen und der grasige Grünstreifen, der mich leicht kitzelte. Meine Füße müssen sehr sensibel gewesen sein, denn ich bin damals so gut wie nie wirklich barfuß gelaufen. Selbst zuhause musste ich entweder Socken oder Hausschuhe tragen. Umso mehr tanzte ich innerlich bei dieser denkwürdigen Sportstunde. Meine Klassenfreunde David und Lena blickten mich grinsend (oder leicht kopfschüttelnd) an. Lena kicherte und sagte: „So cool dass du heute barfuß mitmachen darfst, wie ein [amerikanischer Ureinwohner, Anm. @stromkabelsalat].“ Und genau so fühlte ich mich: wild und glücklich.
So rannte ich, sprang ich und lief über Sand, Rasen und diesem Leichtathletik-Gummiboden, der sich von der Sonne gut aufgeheizt war. Es waren nun keine Wolken mehr am Himmel und ein strahlend schöner Sommertag. Ich kostete diese Doppelstunde Sport voll aus und genoss die vielem Empfindungen des Bodens und das Gefühl der Freiheit. Am Ende des Unterrichts waren meine Fußsohlen ganz rot-bräunlich gefärbt, was ich total feierlich fand. Meine Freunde mussten grinsen als ich ihnen meine gefärbten Fußsohlen präsentierte und niemand hatte wegen meiner Barfüßigkeit irgendwas zu beanstanden. Schließlich hatte es ja der Lehrer quasi angeordnet. Natürlich ging die Doppelstunde viel zu schnell vorbei. Am liebsten hätte ich gar keine Schuhe mehr angezogen und den restlichen Schultag oder am besten den ganzen Tag barfuß verbracht. Eigentlich wäre ich wahrscheinlich am liebsten den ganzen Sommer über barfuß geblieben. Aber ich traute mich das damals noch nicht und ich war ein eher schüchterner Junge. Also kamen dann doch wieder die ollen Socken und Straßenschuhe an meine Füße und ich machte weiter wie gewohnt. Also mit eingeschlossenen und empfindunglosen Füßen. Der Tag ist mir aber in lebhafter Erinnerung geblieben.

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Hi @John,

danke für den Erlebnisbericht.

Es ist sehr schade, dass Deine Eltern das Barfußlaufen abgelehnt haben.

Falls Florian sich wegen des bei ihm unfreiwilligen Barfußlaufens unwohl gefühlt hätte, hast Du ihm so indirekt Beistand geleistet.

Lena hatte leider ein diskriminierendes Wort benutzt, das ich ersetzt habe. Falls Du zu Lena noch Kontakt haben solltest, sage ihr bitte, dass sie die betreffende Gruppe besser als amerikanische Ureinwohner bezeichnen sollte, anstatt das diskriminierende Wort dafür zu benutzen. Ich nehme aber an, sie war sich der diskriminierenden Wirkung des Wortes nicht bewusst gewesen und gehe davon aus, dass sie sich nichts Böses dabei gedacht hat.

LG
stromkabelsalat

Haben sie das denn begründet? Waren sie um deine Sicherheit und Gesundheit besorgt oder nur der Ansicht, dass sich das nicht „gehört“?

Mir tun die Kinder leid, deren Eltern übermäßig besorgt sind und die sie von jedem Risiko fernhalten. Es wäre toll, wenn alle kinder die möglichkeit hätten, alle Böden, Temperaturen und Jahreszeiten barfuß kennenzulernen und dann ihre eigenen Grenzen ausloten. Obwohl du sehr sensibel warst, hast du keine Schmerzen empfunden und keine Verletzungen erlitten, und wenn es draußen im Sportstadion barfuß gut geht, dann logischerweise überall sonst auch.
(ich fürchte aber, dass die eltern eher angst hatten, dass du den ruf eines „Turnbeutelvergessers“ bekommst …)

Dieses Wort sollte nicht abfällig oder diskriminierend sein und war so auch nicht beabsichtigt. Habe auch keinen Kontakt mehr zu ihr. So war es einfach inmmeiner Erinnerung. Nichts für Ungut.

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Habe ich mir schon gedacht.

Sie sind der Ansicht dass sich das nicht gehört. Und selbst heute finden sie es ganz furchtbar, dass ich barfuß laufe, aber jetzt können sie halt nichts mehr dagegen machen. Ich bin da ganz deiner Meinung. Mir tut es auch Kinder leid, die diese Erfahrung nicht machen dürfen.

Eine schöne Erfahrung. Hast du diese Gelegenheit („ich habe meine Schuhe nicht dabei“) nie wieder genutzt?
Zu meiner Zeit war es glücklicherweise üblich keine Schuhe beim Sportunterricht zu tragen.

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In meiner Grundschulzeit 1972-76 war Barfuß im Sport ganz normal. Im Winter eben in der Halle. Von den Pfingstferien an bis zu den Sommerferien die in Bayern ja erst ca 1 August beginnen war der Schulbesuch " Barfuß explizit Erlaubt. Das wurde auch ausgiebig davon Gebrauch gemacht. Nur Mamasöhnchen kamen mit Schuhen zur Schule. Bei uns galt noch Barfuß durch den Sommer.

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Bei mir in den 80ern war das auch nichts Spezielles, und wer nach den Sportstunden barfuss bleiben wollte, blieb es auch. Das hat niemanden wirklich interessiert - und auch sonst gab es eigentlich immer ein paar (Mit-)schüler, die in den warmen Monaten ohne Schuhe in die Schule kamen.

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Hallo John,

Dein Bericht hat mich sehr berührt! Ich habe zwischen den Zeilen die Sehnsucht in Dir gesprüht/gelesen, barfuß zu sein!
Sooooo genial, dass Du die Gelegenheit so kreativ :wink:genutzt hast! Bei der Steilvorlage Deines Sportlehrers konntest Du ja quasi gar nicht anders :rofl::rofl:
Vielen Dank, dass Du das aufgeschrieben hast!!
LG,
Sabine

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Auch das gehört zu einem „guten Lehrer“ (siehe anderen thread): Veranlagungen und potentiale entdecken und fördern!

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Bei uns auf dem Gymnasium (Abitur 2009) war der Sportunterricht ab der siebten Klasse nach Geschlechtern getrennt. Bei uns Jungs hat eigentlich fast nie jemand barfuß mitgemacht, außer mal auf der Laufbahn beim Sprint oder wenn wir am ersten Schultag Sportunterricht hatten und dies vorher noch nicht wussten.

Ich wollte immer sehr gerne barfuß mitmachen und habe es zumindest die paar letzten Unterrichtsstunden vor dem Abitur auch gemacht (außer mal einzelne Schulstunden zwischendrin über die Jahre). Ich habe die Taktik gewählt, dass ich meine Schuhe nicht „vergessen“ habe, sondern dass sie mir „gestohlen“ wurden. So habe ich mir die Möglichkeit gegeben, mehrere Wochen noch barfuß mitzumachen.

Wir haben dann geturnt, Volleyball, Basketball und Fußball gespielt und es hat mir wirklich total viel Spaß gemacht. Negative Reaktionen gab es eigentlich nicht, nur ein blöder Spruch eines Mitschülers, das war es. Der Sportlehrer hatte keine Probleme damit, dass ich barfuß mitgemacht habe.

Ich erinnere mich auch heute noch gerne an diesen barfüßigen Sportunterricht zurück.

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Interessant. Bei mir (70er und Anfang 80er Jahre) gab es klare Geschlechterunterschiede: Die Mädchen waren fast alle barfuß im Sportunterricht (70 - 90 %), die Jungs bis auf ganz wenige Ausnahmen gar nicht. Darum habe ich mich damals leider noch kaum getraut.

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Ich würde mich nicht an eine Tendenz Mädchen/Jungs bei uns erinnern. War aber auch nicht immer gleich, mal waren fast alle barfuss, an anderen Tagen nur wenige. Kam vielleicht auch drauf an, was auf dem Programm stand und wenn jemand neue oder „coole“ Schuhe hatte, wurden die auch zur Schau gestellt, angezogen und gebührend bewundert :wink:
Es gab aber natürlich auch die, die immer bf waren und solche, denen das nie in den Sinn gekommen wäre.

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Soweit ich mich erinnern kann, machten bei uns auf dem Land mehr Mädchen barfuss mit. Tendenziell mehr im Sommer als im Winter, obwohl wir fast immer in der Halle waren. Im Sommer kamen einzelne sogar barfuss zur Schule. Ich habe mich damals leider nie getraut. Vielleicht möchte ich dieses Gefühl gerade deswegen jetzt nachholen. :slight_smile:

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Bei mir war es genau andersherum. So als ich etwa 13 Jahre alt war, hatte ich Senk und Spreizfüße. Da wurde ich zum orthopädischen Turnen geschickt.
Das fand zufällig auch in der Turnhalle von meiner damaligen Schule statt.

Ich ging also hin, zog meine Turnsachen samt Sportschuhe an und ging in die Turnhalle. Da kam der Turnlehrer auf mich zu, so wird das nix. Schuhe ausziehen.
Ich schaute ihn verblüfft an, sah mich um, stellte zu meinem Erstaunen fest, dass alle anwesenden barfuß waren.
Gesagt, getan, Schuhe aus, samt Socken.
Mir wurde dann erklärt, das Barfuß turnen und laufen, das beste Mittel ist den Fuß wieder gesundzumachen. Das war Mitte der 80er Jahre. Der Therapeut war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus.
Nach und nach stellte ich fest, dass meine Füße immer besser wurden. Ich war etwa ein halbes Jahre bei diesen Turnen.
Gegen Ende hat mir der Lehrer mitgegeben, ich soll so oft barfuß laufen wie möglich, dann habe ich in Zukunft keine Probleme mehr.
Tatsächlich war das der Grundstein meines Barfuß-Daseins.Ich verzichtete so oft ich konnte auf Schuhe.
Doch es sollte noch viele Jahre dauern, bis ich komplett zum Barfüßer wurde.

Ich weiß nicht, wie ich mich entwickelt hätte ohne dieses Erlebnis.

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Bei uns war in der Primarschule (1.-6.) barfuss turnen obligatorisch. Wir durften auch barfuss zur Schule gehen, was im Sommer etwa die Hälfte auch tat. In der Sekundarschule (7.-9.) war barfuss freiwillig, die klare Mehrheit war barfuss - je nach Sportart etwas unterschiedlich. Am Gymnasium (10.-13j waren die Mädchen meist barfuss, die Knaben meist beschuht.

Was ich mir rückblickend nicht erklären kann, ist der abrupte Wechsel bei uns Knaben von der Sekundarschule ins Gymnasium. In der Sekundarschule galt man noch als Weichling, wenn man nicht auch Geländelauf barfuss machte, am Gymnasium wollten wir selbst bei Beachvolleyball die Schuhe nicht mehr ausziehen …

So als ich etwa 13 Jahre alt war, hatte ich Senk und Spreizfüße. Da wurde ich zum orthopädischen Turnen geschickt.

Mir wurde dann erklärt, das Barfuß turnen und laufen, das beste Mittel ist den Fuß wieder gesundzumachen.

Toll!
Ich bekam leider nur Einlagen und der (dusselige) Orthopäde erklärte mir und meinen Eltern, dass barfuß laufen nichts helfen würde!

Der nächste Orthopäde ca. 25 Jahre später erklärte mir nochmal den gleichen Unsinn.

Diese „veraltete“ Einstellung haben leider noch etliche Orthopäden. Es gibt jedoch auch „Moderne“, die auf den aktuellen Stand sind.
Meiner ist zum Beispiel total begeistert von meinen Füßen, wie gesund sie sind usw. Er empfiehlt mir weiter so barfuß zu laufen. Es ist genau das Richtige um die Füße gesund zu halten.

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Die erkenntnis, dass barfuß gehen die füße kräftigt und dem bewegungsapparat allgemein hilft, ist nicht neu. Nur wo das sinnvoll ist, darüber scheiden sich die geister (damals wie heute). Insbesondere ob „harte künstliche böden“ wie asphalt und pflaster eher nützen oder schaden (meine erfahrung: sie schaden zumindest nicht, wenn sie auch längst nicht so gut stimulieren wie ein naturboden mit leichtem bewuchs; mit schuhen ermüde ich auch in der stadt schneller als ohne).