in der Süddeutschen vom 15.9.23 gibt es einen Artikel über prähistorische Felsenkunst in Namibia. Ein Detail dieses spannenden Themas betrifft das Thema barfuß:
Mitten im Artikel steht: „Die Gewissheit, dass Menschen bereits vor 17.000 Jahren Schuhe getragen haben, bröckelt.“ Offenbar galten nämlich Ritzzeichnungen, die vermeintlich Schuh-Spuren zeigten, als wichtiger Beleg dafür, dass Menschen damals schon in Schuhe gingen. Nun haben Wissenschaftler jedoch drei Fährtenleser aus der Kalahari gebeten, die Ritzzeichnungen zu untersuchen. Und diese fanden vorne vor den vermeintlich Schuh-Zeichnungen schwache, bisher von allen Forschern übersehende Darstellungen von Zehenspuren.
Also fällt dieser angeblich Schuh-Beweis in sich zusammen, es handelt sich um Zeichnungen von Barfußspuren!
Das Wissen darum, wann in der Menschheitsgeschichte wer warum wie oft von Barfuß auf Schuhe umgestiegen ist, ist ja nach wie vor extrem dünn. Man weiß kaum etwas (wurde ja hier im Forum schon thematisiert). Bin gespannt, ob man irgend wann mehr weiß.
Hallo Karl,
das ist zumindest wissenschaftlich hochinteressant! Jetzt müssten nur noch Internethistoriker aus der damaligen Zeit ein Barfußforum finden. Oder vielleicht ein erstes „Schuh-Forum“, wo Early Adopters dieser neuen Technik sich darüber austauschten, wie sie bei gesellschaftlichen Ereignissen mit dieser neuartigen Bekleidung auf Interesse / Ablehnung / Begeisterung gestoßen sind …
Ich frage mich, ob man das wissen muss?! Schuhe wurden ganz offensichtlich geschaffen, um Füsse z.B. vor Kälte oder ungünstigen Bodenbedingungen zu schützen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das an verschiedenen Orten geschah. Und da der Mensch es gern bequem hat, wurden die Dinger immer öfter getragen. Ich sehe es an mir selber: ich habe zwar nach wie vor eine schmerzende Stelle unter dem rechten Fuss, aber keinen Bock mehr, auf den hier allgegenwärtigen Schotterwegen barfuss zu gehen und Schmerzen zu haben - Minimalschuhe sind dazu prima. Und da es mir stinkt, dauernd Sandalen an- und auszuziehen, trage ich sie dauernd… warum sollten unsere Vorfahren anders getickt haben …?! Schliesslich sind auch andere Annehmlichkeiten, auf die keiner verzichten mag, durch diesen Drang nach Bequemlichkeit erfunden worden.
Papperlapapp! Ich wette, wenn man genau genug hinsieht, kann man in den steinzeitlichen Ritzungen ganz deutlich den Swoosh von Nike erkennen, ebenso wie die drei parallelen Streifen von Adidas, die sind da bestimmt auch irgendwo drin. Der springende Puma ist von vermeintlichen Jagdszenen (von wegen…) in Höhlenmalereien sowieso bekannt.
Ich vermute, daß Schuhe als „Werkzeug“, oder besser „persönliche Schutzausrüstung“ für barfußfeindliche Gegebenheiten mit der Jagd und Komplettverwertung der erbeuteten Tiere (Felle, Leder!) und spätestens mit der seßhaften Viehzucht aufkamen. Leder als Material, schlicht, weil Leder in dem Zuge ein im Gegensatz zu JEDEM Textil (Spinnen, Weben usw…) rasch und einfach verfügbares/„herstellbares“, robustes, haltbares Material war. Und daß früher wahrscheinlich weit häufiger ein leicht verfügbares Schuhwerk auch genutzt wurde, als die manchmal etwas dogmatische bf-Szene wahrhaben will, ist naheliegend - da, wo die kleinste Verletzung zu einer nicht behandelbaren Wundinfektion eskalieren kann, ist die Vermeidung wichtiger als heute in Zeiten von Desinfektionsmitteln und Antibiotika. Dazu hatte ich eine interessante Diskussion mit einem „Bewohner“ des Wikingerdorfes im Fotevikens Museum bei Malmö (experientelle Archäologie), siehe im „Gelben Forum“ Wikinger und Schuhe - Archiv: Hobby? Barfuß! (forumromanum.com).
Gute Gedanken! Mir fällt noch was dazu ein. Das sind Minimalschuhe im allerbesten Sinn. Damit geht man echt fast wie barfuss, der Fuss hat eine Sohle aus weichem Leder, das jede Bewegung mitmacht und man kann damit alles spüren - viel mehr als mit Gummisohlen selbst von Minimalsandalen. Ich trage bei Führungen regelmässig Bundschuhe ohne aufgenähte Sohle, das ist Leder, welches einige Millimeter dick ist. Sehr angenehm und ich kann mich bewegen, wie wenn ich nichts am Fuss hätte.
Noch angenehmer sind Mokassins!
Nachteil: solche Schuhe scheuern schnell durch, wenn man damit viel auf Teer oder Schotter geht. Aufgrund dieses doch hohen Verschleisses (man kann ja auch nicht irgendein Lederstück nehmen, es braucht robustes und eher dickes Material!) kann ich mir gut vorstellen, dass solche Schuhe zunächst jenen vorbehalten waren, welche sie z.B. für die Jagd benötigten. Dass die Mehrheit anfing, Schuhe zu tragen, dürfte mit Sesshaftigkeit und Ackerbau und Viehzucht zusammenhängen, denn so standen mehr Häute zur Verfügung.
Objektivität und Sachlichkeit sind in der Diskussion sicherlich gefährdet durch barfuß-Begeisterte, die annehmen, dass die Menschheit bis vor kurzem überwiegend barfuß unterwegs war. Umgekehrt aber auch bei dem „normalen“ (Verzeihung) Menschen, der sich oft gar nicht vorstellen kann, wo man überall barfuß laufen kann.
Du bist mit deiner Vermutung ja am beginn der Jungsteinzeit vor rund 10.000 Jahren. Nun gibt es ja Berichte, die suggerieren, dass schon vor 20.000, 30.000 Jahren oder noch früher Schuhe getragen wurden.
Ich vermute, dass es unglaubliche Unterschiede gibt.
Im nordeuropäischen Raum mag es möglicherweise Menschengruppen gegeben haben, die schon in der Altsteinzeit kaum barfuß und hauptsächlich in „Schuhen“ gelaufen sind. Diese Schuhe sind aber (wenn schon vorhanden), ihr schriebt es schon, nach heutigem Verständnis sicherlich extreme Minimalschuhe („Barfußschuhe“) gewesen.
In Südamerika gibt es dagegen unkontaktierte (oder wenig kontaktierte) Völker, wo alle Menschen (fast?) ausschließlich barfuß laufen bis heute.
Dazwischen gibt es sicherlich alle möglichen Spielarten.
Kinder der Unterschicht z. B. machten im Mittelalter eine viel größeren Anteil der Bevölkerung aus. Das machte so vermutlich einen prozentual ganz schön erheblichen Anteil an ständigen Barfußgehern, der damals natürlich im Denken der Menschen kaum Bedeutung hatte.
Montanara, du hast recht, es ist unsinnig, Schuhe zu verteufeln (genauso wie es Unsinn ist, barfuß zu verteufeln). Und jeder darf dieses Thema langweilig finden, wenn er möchte!
Völlig unbestreitbar ist aber, dass die letzten 500.000 Jahre unserer Menschheitsgeschichte zum allergrößten Teil barfuß zurückgelegt wurden und unsere Füße für barfuß gemacht wurden.
Hallo Dorothea,
das hört sich einleuchtend an. Wahrscheinlich kam auch noch der Wettbewerbsgedanke dazu. Wer seine Füße schützte, hatte in bestimmten Situationen einen Vorteil gegenüber „Mitbewerbern“, etwa beim Suchen nach Essen in schwierigem Gelände, aber auch beim Kampf. Im militärischen Bereich werden bis heute alle Neuheiten genutzt, die einen Vorteil bringen. Barfuß einen Krieg führen, das ist schwer vorstellbar.
Hier zeigt sich aber auch die Kehrseite der Geschichte. Aus Bequemlichkeit, Konkurrenzdenken, Angst und wegen Sicherheitsaspekten wurde es üblich, dauerhaft Schuhe zu tragen. Damit wurden aber nicht nur die Füße abgeschirmt vor äußeren Einflüssen, sondern auch die Seele, oder wie du es immer nennen magst. Die Verbundenheit mit der Natur ging verloren, das Gefühl, vernetzt zu sein mit allem, was lebt, und damit auch das Mitleiden mit anderen Lebewesen.
Die Geschichte der letzten Jahrtausende wäre sicher anders und wahrscheinlich friedlicher und gerechter verlaufen, wenn die Menschen immer noch barfuß leben würden.
Liebe Grüße,
Peter
Wir können die leute heute nicht mehr fragen, sie haben keine schriftlichen quellen hinterlassen und daraus, dass irgendwo schuhe aufgefunden wurden oder nicht, kann noch nicht geschlossen werden, in welchem umfang diese von wem getragen wurden.
Ich bin (wie wohl die meisten hier) kein profi auf diesem gebiet, stelle mir aber gern vor, dass die leute so ähnlich gestrickt waren wie wir. Schuhe tragen, um gesellschaftlichen erwartungen zu entsprechen, dürfte noch kein thema gewesen sein. Also wurden sie getragen, wenn nötig. Schotterstraßen gab es auch noch nicht, aber unbefestigte wege, und die können schon sehr verschieden sein, manche sind wunderbar über lange strecken barfuß zu bewältigen und schuhe wären keine verbesserung, sondern nur ein ballast (etwas übung vorausgesetzt). Dann gibt es aber dornen, brennnesseln, gefährliche tiere, geologisch bedingt scharfkantiges gestein. Ich denke, es wurde von fall zu fall entschieden.
Die ausbreitung unbefellter savannenwesen in kältere klimazonen stellte natürlich auch einen faktor dar. Auch wenn es manche schaffen, über gewisse strecken barfuß im schnee zu gehen (ich auch), ist es doch eine andere sache, ganze winter draußen bzw. in unzureichend beheizten behausungen zu verbringen. Belege dafür, dass irgendwo in großem stil barfuß im winter (mit frost und schnee) gegangen wurde oder wird (von einzelnen freaks abgesehen, die es in jeder epoche gegeben haben kann), sind mir nicht bekannt.
Wenn wir sehr lange zeiträume und viele verschiedene regionen und klimazonen betrachten, werden wir wohl feststellen, dass schuhe zunächst dort gefertigt und getragen wurden, wo sie aus gründen von temperatur und bodenbeschaffenheit für nötig empfunden wurden. Gesellschaftliche erwartungen kamen dann wohl erst deutlich später dazu.
Übrigens ist „einfach mal ausprobieren“ vielleicht ein probates mittel, um hypothesen über lebensweisen zu testen. Also nicht der dreiwöchige familien-abenteuerurlaub in die steinzeit irgendeiner familie (womöglich noch zum zweck einer reality-fernsehserie), sondern leute, die sich wirklich drauf einlassen, mit damaligen mitteln alles selbst zu machen und dann auch einen sinn dafür entwickeln, was ihre vordringlichsten bedürfnisse sind und welche dinge zu fertigen sich vom aufwand her lohnt - wobei es wohl auch schon sehr lange einen spaß an „zweckfreien“ tägigkeiten gibt, ich denke da an die uralten felsritzungen, die ich kürzlich in Alta/Norwegen gesehen habe.
Wenn hier geschrieben habe, habe ich immer Ötzi im Hinterkopf behalten, dessen Schuhe sehr raffiniert gemacht waren. Er trug meines Wissens eine Art Innenschuh: ein Netz mit Heu und drum herum die Leder-Aussenhülle. Ein doppelschaliger Schuh, der den Fuss besser isoliert!
Ich vermute, die steifen Sohlen sind Folge de Verschleisses: je härter, desto weniger scheuern sie durch. Auch der Verwendungszweck hatte einen Einfluss: Legionäre z.B. trugen Sandalen (keine geschlossenen Schuhe, im Winter hatten sie Fusslappen in den Sandalen) mit Nagelsohlen. Versuche von Archäologen haben gezeigt, dass sie mehr Halt geben und ein Kämpfer damit mehr Schlagkraft gewinnt.
Zivile Schuhe hatten einfach eine feste Ledersohle, die aber je nach Untergrund schnell durchscheuert und bei Nässe aufweicht, weshalb man dann Überziehschuhe trug: Kothurni, das sind Sandalen mit Holzsohlen, die man über die teuren Ledersandalen zog.
Auch hier verweise ich gerne nochmal auf die Antwort eines Steinzeitexperten vom Steinzeitpark Dithmarschen, den ich vor Jahren genau das gefragt hatte (das hatte ich bereits bei diesem ähnlichen Thema verlinkt):
Der legt sehr schön dar, dass alles möglich ist, von Stämmen, die durchgehend auch im Winter vollkommen nackt waren (in Feuerland) bis hin zu Völkern, die vermutlich schon in der Steinzeit selten barfuß gegangen sind. Schuhe waren aufwändig herzustellen und wurden deshalb vermutlich geschont, wenn sie nicht unbedingt nötig waren. Andererseits waren sie gerade deswegen schon früh auch Statussymbole und wurden sicher auch mit stolz getragen, weil eben nicht jeder welche hatte. Ich glaube, wir verwöhnten Barfußfreiwilligen haben da häufig eine etwas zu romantische Vorstellung. Andererseits sind natürlich die Belege für Schuhe von vor X-Tausend Jahren kein Beweis dafür, dass diese rund um die Uhr getragen wurden. Das ist eher unwahrscheinlich.
Für mich ist barfuß auch mit Sanftmut und Sensibilität verbunden, aber das scheint leider auch ganz anders zu gehen. Die Menschheitsgeschichte ist voll von Morden, die barfuß verübt wurden. Und da Schimpansen auch dazu fähig sind, Artgenossen zu töten (nicht, weil sie am verhungern sind) bin ich sicher, dass auch in der Altsteinzeit schon einzelne Menschengruppen sich gegenseitig barfuß umgebracht haben, wenn es z. B. um die Kontrolle einer wichtigen Wasserstelle ging. Leider!
Bestimmt.
Allerdings ist es ganz unsinnig, einen Mythos wie den von Kain und Abel historisch einordnen zu wollen. Kain und Abel sind keine historischen Personen, sondern Figuren, die zeigen, wie Menschen typischer Weise handeln und die das Verhältnis von Gott und Mensch illustrieren, so wie die althebräische Kultur es sich vorstellte.
Es geht mir mehr darum, dass es grob in die Zeit nach dem Ende der letzten Eiszeit passt. Das ist auch der Beginn der bekannten Zivilisationen. Mord war von Anfang an dabei.
Genau recherchiert hab ich das nicht, finde aber z.B. Folgendes: „Die Spartaner, Festlandgriechen, die als große Krieger bekannt waren, waren stolz auf ihre Zähigkeit, indem sie nie Schuhe trugen. Als sich die Schuhmacherei zu einem weiter entwickelten Handwerk entwickelte und Schuhe nützlicher und bequemer wurden, begannen immer mehr Griechen, sie zu tragen.“
Meines Wissens änderten sich die Verhältnisse in der Klassik, wobei Sparta hier wohl kein Maßstab ist. Sokrates war noch Barfüßer, selbst als Hoplit, also als schwer bewaffneter Krieger, und offenbar auch auf thrakischem Eis. Aber Schuhe (Sandalen) kamen bereits allgemein in Mode. Heute braucht man sie übrigens für eine Besichtigung der Akropolis (ich hab es ohne versucht, bei verschiedenen Eingängen, leider ohne Erfolg).