Wüstenwanderung am Roten Meer

Prolog

Ich verabscheue Kälte. Deswegen versuche ich jedes Jahr, dem Winter gegen Ende ein Stück abzuzwicken und flüchte in die Wärme. Meist bin ich einige Wochen im Februar und März am Roten Meer.

Das Ritual ist schon etabliert: sobald ich im Flieger bin zieh ich die Schuhe aus (die ich im Winter draußen sehr zu schätzen weiß) und zieh meist erst im November wieder welche an, mit sehr, sehr wenigen Ausnahmen (Wunden an den Füßen, absehbar gefährliche Untergründe, Neukundenaquise, wenn ich meiner Entourage sonst peinlich wäre …). Hier in Ägypten bin ich selbstverständlich auch 24/7 unten ohne, im Hotel ist man daran gewöhnt. Ich bin viel unterwegs, mache lange Wanderungen, erkunde Berge, Lost Places, beobachte Vögel, versuche mich in Pflanzenbestimmung.

Gestern war ich wieder wandern, habe das nächste, große Wadi und ein paar umliegende, kleine Berge erkundet. Davon will ich kurz berichten. Da reine Wüstenfotos leicht öde werden und keinen Barfußbezug bieten hab ich, mangels Begleitung und anderer Models, mich selber öfter ins Bild gerückt, in Teilen und im Ganzen, mittels iPhone am Boden und Fernauslöser. Der sich daraus ergebende, tiefe Kamerastandpunkt eignet sich natürlich prima für Barfüßer-Fotos :wink:

Die Wanderung

Der Protagonist. Im Hintergrund die Ausläufer der zu erkundenden Bergerl. Zugegeben: arg hoch sind sie nicht, aber als Kind der Berge und Wander-Aficionado nehm ich, was ich kriegen kann. Außerdem sind sie heute nicht das Hauptziel, sondern ein Wadi hinter den Bergen.
Eine kurze Hose und Sunblocker reichen hier als Bekleidung. Notschuhe hab ich nicht im Rucksack, aber eine Kappe, die mir schon bald recht sinnvoll erscheinen sollte.

Als ich das erste Mal hier unterwegs war dachte ich, dieser (für die Gegend typische) Boden sei ohne Schuhe nicht zu bewältigen. Ich hab dann doch mal den Versuch gemacht und gemerkt, dass diese schwarzen Steine keine scharfen Kanten haben und man barfuß recht angenehm darauf geht. Der Dachsteinkalk in meinen Hausbergen ist beispielsweise wesentlich unangenehmer.

Ab und zu findet man “Wege“ (ja, hier braucht’s Anführungszeichen), die ich daheim als Jagasteig bezeichnen würde. Keine Ahnung, ob Tiere, Beduinen oder Launen des Windes dafür verantwortlich sind. Ich folge ihnen auf jeden Fall gerne, bis sie sich irgendwo verlieren. Spuren von Mensch oder Tier sieht man nicht, ich bin auch während der Wanderung keiner Menschenseele begegnet.

In „meinen“ bayrischen Voralpen sieht’s krass anders aus, aber ich finde diese Mondlandschaft hier auch sehr ästhetisch und spannend.

Was diesen Meeresbewohner hier in die Berge verschlagen hat ist mir ein Rätsel. Auf jeden Fall ist ihm der Ausflug nicht gut bekommen.

An den Fußsohlen sieht man, wie sauber es hier ist.

Der Abstieg ins Wadi Lahami. Auch hier war ich bereits zuvor, wollte heute aber weiter vordringen, neue Wege erkunden.

So stellt man sich ein Wadi, ein Trockental vor, oder?

Auch wenn’s vielleicht nicht so aussieht: auch dieser Boden ist barfuß äußerst angenehm zu begehen, man kommt zügig voran, muss keineswegs rumstaksen wie der Storch im Salat.

Das Fernglas erwies sich als äußerst hilfreich, um schon aus der Entfernung den weiteren Wegverlauf, eventuelle Gefahren oder Verlockungen sehen zu können. Für mich als Hobby-Orni ist es sowieso unverzichtbar.

Die etwas düsteren, abweisenden Mordor-Berge, die das Wadi da hinten abzuschließen scheinen, reizen mich ungemein, aber heute schaffe ich es nicht mehr bis dort hin, da muss ich früher aufbrechen – und schon hab ich ein mögliches nächstes Ziel :wink:

Man muss nur aufpassen, dass man nicht in Kalamitäten mit dem Militär gerät, denn die umstrittene und geschlossene Grenze zum Sudan ist nah – die hamm mich neulich schon mal zurückgeschickt, weil ich ins Sperrgebiet geraten bin, ohne es zu ahnen. Ich vermute, meine baren Füße waren hilfreich; die haben wahrscheinlich gedacht, wer so auffällig seltsam rumläuft ist kein gefährlicher Terrorist oder Spion, sondern nur ein harmloser Spinner.

Ich war erstmal froh, endlich einen komfortablen Schattenplatz gefunden zu haben, für die Gipfelbrotzeit sozusagen, denn die Uhr sagte mir, dass es Zeit sei, umzukehren.

Wadiabwärts, Direttissima Richtung Küste, ohne Umweg über die Berge.

Wäre ich mit Schuhen gegangen hätte ich zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich schon Druckstellen und die eine oder andere Blase an den feucht-miefigen, müden Füßen gehabt. So waren sie noch frisch & fit.

Auf eins muss man als Barfüßer achten: auf gar keinen Fall auf irgendwas drauftreten, was auch nur irgendwie und im Enferntesten mit den hier verbreiteten Schirmakazien (Vachellia tortilis) zu tun haben könnte. Die haben wirklich perfide Dornen, verglichen damit sind daumendicke Brombeerranken pillepalle.

Hübsch anzusehen, aber Biester, wenn man ihnen zu nahe kommt.

Ein Blick zurück ins Wadi, das Licht wird immer schöner.

Mir kam die Idee, mal auszuprobieren, ob die App Peak Finder sich auch hier auskennt – und ob!

Die Schatten wurden lang, aber nun war ich bereits in sicherem und bekanntem Gelände, einer Art kleiner Salzwüste in Küstennähe. Der Boden sieht nicht nur aus wie Streuselkuchen, er fühlt sich auch so an – ein Jumbo-Plaisir, darauf zu gehen, die Fußsohlen jubeln.

Schneller als gedacht war ich zurück an der Küste und konnte noch einen Abstecher ins Mangrovengebiet machen, ein landschaftliches Highlight der Region.

Endlich ein Fußbad!

Ein Fischadler-Pärchen hat sich die Mangroven ausgesucht, um Nachwuchs in die Welt zu setzen. Ich beobachte den Horst fast täglich und hoffe, dass ich noch mitkriege, wenn die Kleinen schlüpfen. Zu nah darf man nicht dran, um die Tiere nicht zu beunruhigen, sie regen sich sonst fürchterlich auf, protestieren lauthals und fliegen Scheinangriffe, was bei 1,70 m Flügelspannweite durchaus beeindruckt.

Zum Schluss noch ein bisschen Kitsch. Auf dem letzten Stück des Heimwegs traf ich einen einsamen Cowboy, der in den Sonnenuntergang ritt.

Ach nein, es waren drei Beduinenfrauen und sie waren zu Fuß. Halluzinationen eines barfüßigen, durstigen Wanderers, der sich tierisch auf seinen Sundowner im Hotel freute, eiskalten Gin Tonic. Nun, tatsächlich wurden es drei …

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Wow, sehr schöner ausführlicher bebildeter Bericht! Traumhafte Naturbilder!

Sieht überwiegend wirklich unfreundlich für die Füße aus. Spannend, dass es das anscheinend aber nicht ist.

Schöne Bilder, sehr spezielle Landschaft.

Superschöner Bericht!!!

DEN kenn ich auch. War mal öfters mit Wiener Höhlenforschern am Krippenstein oben. Das Zeug ist messerscharf. Wenn Du da einen Apfel auf den Boden fallen läßt, ist der geschält und geviertelt…

Zu dem Fisch: Wadi, ist der zu bestimmten Zeiten „in Betrieb“ (alle paar Jahre Starkregen + Überflutung + Verbindung zu einem dauerhaften Gewässer), dann könnte es des Fisch dahin verschlagen haben, und dann hat er die Gelegenheit verpaßt, rechtzeitig vorm Austrocknen das Weite zu suchen.
Oder den haben die Fischadler als Beute versehentlich verloren?

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Regen? In Ägypten? :thinking:

Als ich vor 25 Jahren dort war, hat der Reiseveranstalter eine Geld-zurück-Garantie gegeben, falls es regnen sollte. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge lag damals bei NULL Millimeter pro Jahr (!).

Das wäre auch meine Vermutung gewesen.

Dritte Möglichkeit: es handelt sich um einen Sensationsfund des Fossils einer noch nicht entdeckten Spezies aus dem Präkambrium, die von unschätzbarem Wert ist, weil sie beweist, dass komplexe Lebensformen schon Hunderte Millionen Jahre früher existierten, als bisher angenommen… :see_no_evil:

Hallo Andreas

Vielen Dank für den schön bebilderten und interessant und witzig geschriebenen Bericht. Ist der sandige Boden nicht teilweise zu heiss um barfuss darauf zu gehen? Ich habe auf den kanarischen Inseln die Erfahrung gemacht, dass der Sand manchmal äusserst heiss ist für die Füsse.

Liebe Grüsse,
Andreas

Aber sicher doch! Auch in Wüstengegenden, v.a. wenn sie nicht tausende Kilometer entfernt vom Meer sind, regnet es mal. (Aller)selten(st), aber dann gewaltig.
Wadi – Wikipedia

Hallo Andreas, danke für den schönen Bericht. Ich bin auch gerade in Ägypten (Sharm el Sheikh), nicht zum ersten Mal. In keinem der Hotels, in denen ich bisher war, gab es wegen barfuß irgendwelche Probleme, nicht einmal beim Abendessen. Bis auf ein paar Nachfragen interessiert das hier nicht. Find ich gut :slight_smile: Schöne Zeit noch!

Nö, heiße Böden sind um diese Jahreszeit hier kein Problem. Tagsüber hat‘s derzeit üblicherweise 24-27 °C, nachts kühlt es auf etwa 19 °C ab, da ist für die Füße immer alles im angenehmen Bereich.

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Die Fischadler-Theorie ist gar nicht mal so abwegig, bin selbst noch nicht drauf gekommen. Dabei hab ich vor einigen Jahren schon mal erlebt, wie plötzlich ein Fisch vom Himmel platschte, nicht weit von hier, vielleicht noch bissl größer als dieses Fundstück, einem etwas unprofessionellen Fischadler aus den Fängen geglitscht. Auf dem ansonsten ereignisarmen Touristenstrand, auf dem zu landen er das Pech hatte, war er DIE Sensation und sofort von herbeigeeilten Neugierigen und Hilfswilligen umzingelt, die seinem blutigen Zucken und Leiden ratlos zusahen und sich uneins waren, ob und wie ihm geholfen werden könne oder müsse. Rufe nach einem Veterinär verhallten ungehört. Man muss schon eine Menge schlechtes Karma angehäuft haben, um sowas durchmachen zu müssen: vom Adler gepackt und mit seinen Mördergreifern durchbohrt zu werden, sich ihm dann gegen alle Wahrscheinlichkeit in letzter Sekunde entwinden zu können, dem Teufel von der Schippe zu springen – nur leider aus 50 Meter Höhe und an Land, als Fisch … Aber zurück zum Thema. Was gegen die Theorie spricht ist der Umstand, dass Fischadler sich eigentlich nicht so weit von den Gewässern entfernen, an denen sie leben, jagen, ihre Nester bauen. Der Fundort war schon ein ganzes Stück weg von der Küste. Wie kommen wir jetzt flott zurück, on topic? Was mit nackten Füßen? :innocent:

Same here. Als ich zum ersten Mal das Restaurant betrat wurde ich höflich und freundlich vom Oberkellner auf die unermesslichen Gefahren hingewiesen, die barfüßige Fortbewegung mit sich bringen könne. Ebenso höflich und freundlich habe ich mich für seine Fürsorge bedankt und ihn zugleich wissen lassen, dass ich, Allah sei Dank, keine Schuhe zur Gefahrenabwehr benötige, auf gar keinen Fall in seinem hochglanzgefeudelten Reich, da ich das schon jahrelang mache. Seither Ruhe, keine Nachfragen, keine komischen Blicke, gar nix, alles ganz normal. Dir auch noch schöne Tage in der :sun_with_face: !

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Das funktioniert oft sehr gut, um plötzlich aufkeimende Bedenken, v.a. von neuem Personal, in alten Lokalitäten zu stoppen. Die betreffende Lokalität einfach mal loben, daß es da immer so ordentlich und blitzeblank sei und unsereins trotz gewohnheitsmäßig besonderer Aufmerksamkeit dort noch nie auch nur die geringste Scherbe o.ä. gesehen habe.
Die freuen sich dann meistens, lassen uns dann weiterhin gerne bf in den Laden UND du wirst fürderhin als alter Stammkunde extra begrüßt :slightly_smiling_face:

Schöner Bericht. Bei den Bildern bekomme ich Fernweh! :smiling_face_with_three_hearts:

Ich nehm das jetzt mal als Kompliment und nicht als Vorwurf :innocent:

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