Italien: Barfußverbot in Forio auf Ischia

Laut Merkur scheinen nun zunehmend Urlaubsorte Regularien incl. Verboten von „Strandbekleidung“ mit bußgeldbewehrten Verordnungen durchzuziehen. Um genaueres zu sagen wäre vermutlich intensive Internetrecherche mit entsprechenden italienischen Sprachkenntnissen nötig, um das amtliche „Original“ zu finden und sinngemäß selbst zu deuten, nicht sich von irgendeiner KI übersetzen zu lassen…

Neben der Italien-Regel zur Klima-Anlage ist besonders skurril, dass der Urlaubsort auf der italienischen Insel im Golf von Neapel auch Barfußgängern und Badelatschenträgern in Zukunft den Kampf ansagt. In beiden Fällen drohen laut La Republicca sogar Bußgelder

OK, wenn irgendwas nicht höflich/bestimmt per Hausordnung geregelt wird (wie Dorotheas Mont-Saint-Michel-Beispiel), sondern mit 500€ Bußgeld ohne jeden Ermessensspielraum, dann muß mensch da vielleicht nicht hinfahren

Forio macht keine Eingeständnisse: Die Touristenströme, die das Herz der größten der sechs Gemeinden der Insel bevölkern, müssen in Schach gehalten werden. Und es kommt eine Verordnung von Bürgermeister Stany Verde, die nach Angaben von La Republicca an die Notwendigkeit appelliere, den Anstand der Orte zu wahren.

„müssen in Schach gehalten werden“ liest sich wie Bekämpfung von Kartoffelkäfern, und wunderbar, barfuß ist wieder ein Synonym für unanständig.

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Auch in 1 anderer italienischen Gemeinde gibt es 1 Barfußverbot:

In beiden Fällen ist das Problem nicht die Barfüßigkeit als solches, sondern der Tourist*innenauflauf und sie heben wohl Probleme zwischen Dauerbarfußläufer*innen und Strandtourist*innen zu unterscheiden.

Ähnlich wie bei Supermärkten in Urlaubsregionen, die aus den gleichen Gründen Barfußläufer*innen den Zutritt verwehren.

Ist es nicht irgendwie möglich, sich sowas wie ein Attest zu holen? Was einem bestätigt, dass man das immer so macht und es ja auch “aus gesundheitlichen Gründen” macht und nicht, weil man ein Touri ohne Manieren ist…

Vielleicht könnte auch einfach der Personalausweis mit Wohnortangabe helfen. Jemand der dort wohnt, ist nicht touristisch unterwegs.

Naja, das hilft uns aber nicht, wenn wir doch mal (als Touris natürlich) dort hin wollen und einfach unseren Lebensstil leben wollen, wie wir es ja auch bei uns zuhause und überhaupt überall machen…

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Das stimmt. Aber zumindest für dort lebende Dauerbarfußläufer*innen ist es eine Lösung.

Was das Attest für Nicht-Einheimische Dauerbarfußläufer*innen betrifft, stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen das Attest erteilt wird:

  • Bei einer Person mit Fußfehlstellung, die bei Ärzt*innen vorstellig wird, ist der Fall klar.
  • Wie schaut es bei Personen mit gesunden Füßen aus, die einfach nur präventiv barfuß laufen wollen? Müssen die das dann mit Zeug*innen nachweisen, dass auch sonst dauerhaft barfuß gelaufen wird? Eine Art Fragenkatalog beantworten, deren Fragen nur Dauerbarfußläufer*innen beantworten können?
  • Allerdings kann auch jemand, der dauerhaft barfuß läuft, sich als Tourist*in daneben benehmen. Vielleicht ist dann allgemein eine Art Test sinnvoll, der ordentliches Verhalten in touristischen Gebieten nachweist, ggf. auch mit Fragenkatalog.

Unter der Annahme, dies liese sich alles realisieren? Würde das all den Aufwand rechtfertigen, nur um mal kurz in einem italienischen Dorf Urlaub zu machen?

Interessant, daß es auch Konsequenzen für Badelatschenträger geben soll. Tragen die jungen Herren in Italien aktuell keine weißen Socken mit Badelatschen?

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Hallo,
es gibt auch lokale Gegenwehr. Eine ischioter Zeitung hat vehement für den „Scalzismo“ Partei ergriffen und klärt auch etwas über die Hintergründe auf; ein ähnliches Verbot gab es vor Jahren in einer anderen ischioter Gemeinde; dort aus Gründen des „Anstands“.

Nun muss ich dazusagen, dass ich in den letzten 2 Jahren mehrmals den Golf von Neapel bereist habe und keinerlei Anzeichen irgendeiner Barfußfeindschaft entdecken konnte. Nichts war ein Problem: Restaurants, Cafes, Züge, Busse, Fähren. Zweimal war ich mit einem ebenfalls barfüßigen Freund dort; es gab sogar Komplimente (und das mitten im neapolitanischen Spätwinter). Neapel ist nicht gerade sauber; Anstoss haben wir aber keinen erregt. In Sorrent war es ebenso - auch dort soll es mittlerweile ein Barfußverbot geben -, auch im chicen Capri und auf Ischia: nullo Problemo (in Forio war ich nicht). Ich nehme daher an, die Verbote existieren nur auf dem Papier. Der Entstehungshintergrund scheint jeweils eine Laune eines lokalen Bürgermeisters zu sein (wohl mit einem politisch eher konservativen Hintergrund). Die für katholische Länder nicht ganz untypische Dialektik von Regelerlass und konsequenter Nichtbefolgung dürfte diese italienischen Barfußverbote sehr stark abmildern, es würde mich wundern, wenn das irgendwann einmal jemand exekutiert.

Also „in Italien ist alles erlaubt, selbst wenn es verboten ist“?
(Wie ging das weiter, in Deutschland ist alles verboten, das nicht ausdrücklich erlaubt ist?)

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Als (Nord-)Italiener möchte ich gern meinen Senf dazu geben!

„Attest”, „Wohnortangabe”… beim Lesen mancher Kommentare muss ich schmunzeln, denn es ist alles - verständlicherweise - sehr deutsch gedacht! :slight_smile:
Vorschriften werden in Italien in der Regel – auch wenn das jetzt eine Verallgemeinerung ist – nicht blind und wortgetreu gefolgt, sondern selbst von Gesetzeshütern abgewogen. Das hat natürlich gute und schlechte Seiten, aber macht das Gesetz oft etwas menschlicher: der gesunde Menschenverstand spielt eine viel größere Rolle als in Deutschland.
Solchen Bürgermeistern geht es primär darum, ein respektvolles Verhalten von Touristen in der Stadt einzufordern. Dabei werden nackte Füße an Badeorten reflexartig mit Badebekleidung assoziiert. Es gab ein paar andere, wenige Kommunen in Italien, die eine ähnlich lautende Verordnung erlassen hatten, wobei man dazu erwähnen soll, dass kommunale Verordnungen in Italien zeitlich begrenzt sind: bei solchen Anlässen gelten sie oft nur für eine Badesaison und müssten dann theoretisch neu erlassen werden oder aber sie bleiben eine Karteileiche, die selbst Ordnungskräfte nicht mehr auf dem Schirm haben. Man müsste in der Gemeindeordnung nachschauen, wenn man es genau wissen möchte.
Jedenfalls berichtete schon mal manches Mitglied vom italienischen Barfußforum (Nati Scalzi), dass sie in diesen Städten barfuß - aber ordentlich bekleidet - unterwegs waren, mehrmals (absichtlich!) an Stadtpolizisten vorbeigegangen sind und nichts passiert ist.
Wenn man durch die Stadt barfuß UND in Badeklamotten rumlaufen würde, könnte es passieren, dass man von Ordnungskräften dezent darauf hingewiesen wird. Dass man eine Geldbuße bekommt, halte ich für äußerst unwahrscheinlich: trotz mancher vollmundiger Kampfansage haben Lokalpolitiker letzten Endes kein Interesse daran, Touristen zu vergraulen.

Ironischerweise bin ich in der Pubertät ausgerechnet auf Ischia auf den Geschmack des Barfußlaufens gekommen: ich war dort im Urlaub mit meinen Eltern und war erstaunt, wie viele, vor allem junge Leute sowie Kinder überall in den dortigen Städtchen barfuß unterwegs waren, auch in Geschäften in der Altstadt oder abends spazieren; oben ohne hat damals auch niemanden gejuckt. Das war in den 90ern und es waren fast alle Einheimische, die ich barfuß sah, da ich stets ihren lokalen Dialekt vernahm. Ich war seither nicht mehr auf Ischia und kann es nicht direkt einschätzen, doch es scheint - dort wie auch anderswo - spießiger und prüder geworden zu sein.

Doch, doch! Leider tragen sie die jungen Herren in Italien auch!

:joy:
Spaß beiseite: das Prinzip gilt auch im italienischen Recht. Und was solche kommunalen Verbote anbelangt, haben italienische Rechtsexperten schon mal bezweifelt, dass sie verfassungskonform sind, denn sie greifen zu weit in die persönliche Sphäre des Individuums ein. Ein bestimmtes Schuhwerk zu verbieten, ist auf rechtlicher Sicht vielleicht sogar noch gravierender als ein Barfuß-Verbot, wenn es von keiner Gefahr für die Allgemeinheit auszugehen ist.
Ein befreundeter italienischer Anwalt, mit dem ich mich darüber unterhalten habe, meinte, dass man im Falle eines Bußgeldes unbedingt Einspruch einlegen sollte und er war sich - auch nach Einsichtnahme entsprechender Paragraphen - ziemlich sicher, dass ein Richter dem Barfußgeher recht geben würde und das Verbot für ungültig erklären würde. So weit wird es nach meiner Einschätzung nicht kommen, da es, wie gesagt, äußerst unwahrscheinlich ist, dass ein Stadtbeamter dieser Kommunen vor einem Barfüßigen allen Erstes den Knöllchen-Block aus der Tasche holt.

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Sieht man gut in Rom am Verhalten der Autofahrer*innen.

Das stimmt, leider. Im Norden des Landes fahren die Menschen deutlich disziplinierter.

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Lieber Julius, vielen Dank für die ausführliche Auskunft. Das hört sich wirklich sehr human, sympathisch und verständlich an.

Vielleicht würde ich es auch mal ausprobieren ordentlich gekleidet barfuß diese Orte zu besichtigen. Italien steht zur Zeit eh relativ weit oben auf meiner Reiseziel Liste.

LG Rosi

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