Steinach am Brenner, Freitag, 12:35. In 15 minuten fährt mein zug, mit dem reiserucksack auf dem rücken bin gerade am weg zum T&G-supermarkt, um mir für die fahrt noch was zu trinken zu kaufen, und wähle den weg nicht über den splittgestreuten gehweg, sondern über den parkplatz. Ich gehe an einem polizeiauto vorbei, da steigen zwei polizisten aus.
„Haben Sie einen Ausweis?“
„Aber selbstverständlich, Herr Inspektor. Ich bin deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Leoben, Steiermark.“
Ich überreiche einem kollegen den personalausweis. Dieser fotografiert ihn mit dem handy, gleicht ihn mit irgendeiner datenbank ab, lässt ihn irgendwann auch ungeschickt fallen. Währenddessen wickelt der andere mich in ein gespräch ein. Woher ich komme, wohin ich unterwegs bin, was mein beruf ist, was ich heute noch so vor habe - hä? Ich habe doch gerade gesagt, ich fahre mit dem zug über Innsbruck und Salzburg nach Leoben, wo ich wohne … und ich kam da gerade von der besichtigung der Brennerbasistunnelbaustelle. (Da hätte ich ihn noch stundenlang mit fakten über dieses 10-milliarden-projekt zutexten können …)
„Sie tragen keine Schuhe. Ist Ihnen kalt? Warum machen Sie das?“
„Das ist gesund.“ (Erste standardantwort, kommt auch immer gut bei hygienebedenken, da es die gedankenwelt der gegenseite etwas auf den kopf stellt.) „Regt den Kreislauf an, natürlich ist mir nicht kalt, die Sonne scheint, es sind vielleicht 10 Grad. Und warum tragen Sie Schuhe und ich nicht? Weil Sie im Dienst sind, Herr Inspektor, und ich habe Freizeit. Ist doch nicht verboten. Was nicht verboten ist, ist erlaubt.“
Letztlich wurde mir der ausweis auch wiedergegeben und ich konnte mir sogar noch einen saft vor abfahrt des zuges kaufen. Den spruch „Inspektor gibts kan“ haben sie sich verkniffen.
Der sinn der ganzen aktion dämmerte mir erst später. Steinach ist in der nähe der italienischen grenze und vermutlich kontrolliert die kieberei dort alle, die nicht ins schema passen (einheimischer, skitourist). Könnte schließlich sein, dass ich mich ins land schmuggeln wollte? Aber ich bin schon lange hier, habe als EU-bürger unbegrenzte aufenthaltserlaubnis und einen ständigen wohnsitz …
Darf ich eigentlich solche informationen verweigern? Bin ich verpflichtet, der polizei den ausweis vorzuweisen? Ich wollte nur zu meinem zug und habe auch nur dinge gesagt, die der wahrheit entsprechen.
Ausweis, ja. Das ist legitim.
Wohin des Weges auch.
Beruf? Beim besten Willen nicht.
Die hätten es beim Ausweis und der Frage nach der Barfüssigkeit belassen können.
Da würde man schon schnell merken, mit was für einen Menschen man es potentiell zu tun hat und ins Gespräch kommt man da sowieso schnell.
Ich denke das ist polizeitaktik. Meine story war plausibel genug; hätte ich widersprüchliches oder zusammenhangloses erzählt, wäre das verdächtig. Und mein lupenreines hochdeutsch passte auch zu meinem Piefkeausweis.
Da ich meinen zug erreichen wollte, habe ich auf rückfragen verzichtet, welche auskünfte ich geben müsste und was die polizei nichts angeht.
Als deutscher Staatsbürger musst du meines Wissens im Schengenraum einen Ausweis (Perso oder Pass) mit dabei haben - ob du ihn auch beständig mitführen musst, weiß ich nicht. Weder in D noch in A gibt es meines Wissens eine Ausweis-Mitführpflicht für die jeweils eigenen Staatsangehörigen.
Aber es ist überaus empfehlenswert, den Ausweis immer dabei zu haben, das erspart definitiv Zeit.
Was du durchaus darfst: Den Ausweis vorlegen und fragen, welchen Grund es denn für die Kontrolle gibt.
Ich frage dann gerne, ob ich ich in irgendeiner Weise behilflich sein kann.
Der Rest ist dann Smalltalk, der im Wesentlichen dazu dient, den Beamten deutlich zu machen, dass man ein ungefährliches Individuum ist.
Interessierte Blicke habe ich auch schon von der Polizei im Münchner Hauptbahnhof auf dem Nachhauseweg erhalten. Später hatte ich dann gelesen, dass es kurz vorher einen Vorfall mit einem barfüßigen Exhibitionisten in einem Zug gab. Da habe ich ja noch mal Glück gehabt (- ich war es übrigens nicht ).
Kann aber auch sein, dass sie dich für einen Flüchtling gehalten haben (Barfuß und Rucksack). Manchen Flüchtlingen werden durch die Polizei in Osteuropa die Schuhe weggenommen.
Hab heute einen kleinen Tagesausflug zur deutsch/schweizer Grenze gemacht, und dort einen sehr langen Spaziergang diesseits und jenseits der Grenze - insgesamt kamen am Ende des Tages knapp 28.000 Schritte zusammen, komplett ohne Schuhwerk. Kaum dass ich die Grenze überschritten hatte, hielt ein weißes Auto vor mir an und 2 Uniformierte stiegen aus: „Grüezi, ihrn Uswiss, bidde!“ Während der Beamte dann den Ausweis kontrollierte begann seine Kollegin ein wenig Smalltalk, und nach 1-2 Minuten durfte ich auch schon wieder ungestört weitergehen. Außer einem kritischen Blick nach unten zu Beginn wurde mit keinem Wort thematisiert, aber ich schätze mal, dass das schon mit ein Grund war, warum sie mich überhaupt angehalten hatten…
Sehr schöner Bericht von Dir, der hier gut ins Forum passt! Er zeigt, dass die schweizer Polizei sehr sympathisch ist und mit Barfußläufer*innen respektvoll und entspannt umgeht.
Hm, also zumindest deutsche Staatsdiener finden es wenig amüsant, wenn man auf die Frage, weshalb man denn barfuß gehe antwortet „Ich bin ein Serienmörder, der nicht auffallen will.“ - „Wer dumm fragt, bekommt eine dumme Antwort!“ habe ich mir dann verkniffen, a) aus Zeitmangel, b) aus einem letzten Rest Respekt und c) mangels Kenntnis, ob das nicht eventuell justiziabel gewesen wäre.
Das mag pfiffig wirken, und für uns hat es einen amüsanten Klang.
Aber ich rate dringendst ab davon, gegenüber einem Beamten oder Sicherheits-Dienstleister auch nur andeutungsweise oder ironisch Bemerkungen dieser Art fallen zu lassen.
Der Grund dafür ist ein sehr einfacher: Versetz dich bitte in die Rolle und in die Perspektive dieses Menschen. Seine Aufgabe ist es, für Sicherheit zu sorgen. Wenn z.B. ein:e Mitarbeiter:in des Sicherheitsdienstes am Flughafen einen „Scherz“ über eine mitgenommene Bombe hört MUSS er:sie mit dem vollen Programm reagieren.
Der zweite Grund ist für uns alle sehr wichtig: Da wir hier in Deutschland als Barfüßige eine Ausnahemerscheinung sind, ist es sehr wichtig, dass wir nicht als „Sonderlinge“, „Querulanten“ oder sonstige „Spinner“ eingeordnet werden. Ein einfaches: „Weil ich keine Schuhe mag.“ oder ähnliches genügt vollkommen und erweckt keinen Unmut.
Meine ganz herzliche Bitte an alle hier: Auch wenn die Versuchung für eine flappsige Antwort noch so groß ist, seht Euch bitte als positive Botschafter:innen des barfüßigen Lebens und bleibt selbst bei abwertenden Bemerkungen höflich und wertschätzend. Ja, ich weiß aus eigener Erfahrung, dass dies nicht leicht ist.
Ich versuch immer, bei Polizeikontrollen NICHT nervös zu werden (habe dazu Gründe, die hier OT sind und den Rahmen sprengen) und versuche v.a. abzuschätzen, welche „Profiling“-Schublade (OK, soll es ja nicht geben, also besser „Menschenkenntnis / Erfahrung“) ich bei den Amtskräften getriggert habe. Saison- und temperaturabhängig. „Durchgeknallter Althippie mit evtl. Drogen im Rucksack“ geht dann anders als „verwirrter, hilfloser Zausel, aus Pflegeheim abgehauen“, das sind so die beiden extremen Gegenpole.
Gelegentlich ist das alles megaentspannt und führt dann zu guter Letzt zu den üblichen, normal-neugierigen Nachfragen, warum, wieso, bis wie kalt runter etc…
Die letzte Polizeikontrolle war im Auto „verdachtsunabhängig“, als ich nachts um 2 Uhr meine große Tochter von irgend’ner S-Bahn-Strandung (München…) aufgegabelt habe, und da hat wahrscheinlich v.a. der auffällige, tüv-konform reparierte aber nach wie vor deutlich sichtbare, „individuelle“ Heckschaden gelangweilte Cops getriggert. Papiere, nix getrunken, Verbandkasten etc. alles da, gut, schönen Abend noch. Mein althippieskes Erscheinungsbild incl. bf im Auto war NULL Thema.
Witzig sein ist sicher ok. Aber irgendwas mit Straftaten zu erfinden ist maximal dämlich. Für so Bombenwitze saßen schon mehr als einmal Leute im Flughafen fest und mussten hohe Strafen zahlen.
Und es wird wohl kaum ein Polizist über so einen Unfug lachen können.
Vielleicht sehe ich zu harmlos aus. Ich bin seit 40 Jahren nicht kontrolliert worden.
Hippie wird Strichgang getestet.
Dementer Mitsechziger wird kognitiv und von der Orientierung geprüft.
Dh. je nach Vorliebe prophylaktisch entweder Strickweste oder Batikshirt tragen.
Geil! Irgendwie irre, was bloße Füße bei manchen Personen auslösen können. Ich hatte mal eine 100%-gegenteilige Polizeierfahrung: Ich verließ unser Haus auf dem Weg zur Parallelstraße, um unseren dort geparkten Zweitwagen zu holen. Unsere Straße verlassend begegnete ich einer jungen Polizistin, die schmunzelte - vermutlich weil ich barfuß war. Im weiteren Verlauf überholte ich Sie zu Fuß, ging zu unserem Auto, setzte mich vor Ihren Augen rein und fuhr los. Alles paletti
Inzwischen wissen eigentlich alle Cops, daß barfuß Autofahren erlaubt und auch nicht unsicher ist (auf welcher Rechtsgrundlage auch). Genauso, wie sie zu Recht und sachlich einwandfrei bei flappernden Flipflops oder High Heels Bedenken äußern können.
Mich hat nur einmal einer angesprochen, daß ich im Fall des Falles evtl. damit rechnen müßte, daß Versicherungen rumzicken wie immer…
In der Schweiz besteht für Schweizer Staatsbürger weder eine Ausweispflicht noch eine Mitführpflicht. Kein Schweizer muss eine Identitätskarte oder einen Pass besitzen oder bei sich tragen. Für ausländische Staatsangehörige gilt während des Aufenthalts in der Schweiz eine Ausweispflicht.
Die Polizei darf eine Person aus sicherheitspolizeilichen Gründen oder im Interesse der Aufklärung einer Straftat anhalten und kontrollieren. Es muss aber ein Zusammenhang der Person mit Delikten als möglich erscheinen. Das Verhalten der Polizei muss verhältnismässig sein und sich auf sachliche Gründe abstützen.
Man fragt also am Besten nach dem Grund der Kontrolle. Eine Kontrolle nur aufgrund von Barfüssigkeit oder weil man optisch Auffällt und etwas tut, was die Meisten nicht tun, ist nicht gestattet. Natürlich können Polizisten das Gefühl haben, dass jemand ohne Schuhe Hilfe benötigen könnte. Das ist ok, finde ich. In jedem Fall immer freundlich bleiben. Ein kleiner, fröhlicher Plausch hilft immer.
Zuerst muss eine Versicherung beweisen können, dass ein Schaden wegen barfüssigkeit entstanden ist. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie ich finde. Man kann auch in Skischuhen mit dem Auto fahren. Es gilt einzig die Vorschrift, dass man das Auto jederzeit beherrschen muss.